Ein (etwas längerer) Ausflug nach Zell am See (LOWZ)

Mit einer Cirrus SR20 von Hildesheim in die Alpen

von Justus Alain Köhn

Von vielen wird der Flug nach Zell am See als Einstieg in die Alpenfliegerei bezeichnet. Die ersten Gipfel erscheinen am Horizont, dann durchfliegt man beeindruckende Täler, und am Abend steht man am Ziel auf der Piste. Ein Traum, den Jan Fischer und ich uns erfüllen wollten – auch wenn Mitte Oktober vielleicht nicht die einfachste Zeit dafür ist.

Die Idee: Ein großes Ziel

Jan und ich hatten uns zwei fliegerische Herausforderungen gesetzt: Jede Nordseeinsel befliegen und nach Zell am See fliegen. Während Jan fast alle Inseln im Sommer abgehakt hatte, erwies sich der Flug nach Zell am See als kniffliger. Terminprobleme, Schwierigkeiten mit der Maschine – aber am Ende fanden wir ein Oktoberwochenende, an dem wir starten konnten, mit der Option, den Anfang der Folgewoche freizunehmen. Eine gute Entscheidung, wie sich zeigen sollte.

 

Vorbereitung: Fliegen in die Berge

Der Flug verlangte eine sorgfältige Planung: Flugplan aufgeben, Wetter in den Bergen einschätzen und mit den meteorologischen Besonderheiten vertraut machen, internationale Abläufe – vieles war neu. Wir bereiteten uns getrennt vor und tauschten unsere Ergebnisse, um Fehler zu minimieren. Zusätzlich holte sich Jan Rat bei Fluglehrern und Piloten, die LOWZ bereits kannten. Diese intensive Vorbereitung und unser Zwei-Mann-Cockpit sollten sich als Gold wert erweisen.

Der Plan

Mit der Cirrus SR20 (D-ECIR) wollten wir von Hildesheim (EDVM) in FL095 über die Kontrollzone Nürnberg (EDDN) und unterhalb der Kontrollzone München (EDDM) mit etwas Sightseeing über München nach Zell am See fliegen. Die geplante Flugzeit betrug bei leichten Wind auf der Nase 2:30 Stunden – das war zumindest der Plan.

 

 

Der Start

Am 12. Oktober trafen wir uns um 8 Uhr am EDVM. Jan’s Freund Kai schloss sich uns an. Nach dem Wettercheck – doppelt hält besser – starteten wir bei strahlendem Sonnenschein. Mit maximalem Startgewicht der Cirrus und einer gut genutzten Pistenlänge von 1.200 m ging es auf FL095. Der Autopilot übernahm, und wir genossen die Aussicht über das herbstliche Leinetal.

Hürden in der Nähe von München

Die erste Etappe – der Überflug von Nürnberg (EDDN) – verlief reibungslos. Doch kurz darauf wurde es anspruchsvoll. Für den Bereich München hatten wir drei Szenarien vorbereitet:

  • Plan A: Sinkflug auf 3.000 ft, westlich der Kontrollzone EDDM.
  • Plan B: Durchflug der Kontrollzone in FL095.
  • Plan C: Umfliegen der Kontrollzone.

Leider wurde es Plan C. CAVOK in den METARs und TAFs klang vielversprechend, aber vor Ort entpuppte sich das Wetter anders. Wolkenbänder direkt über dem Großraum München versperrten uns den Weg nach unten. Plan B hat auch nicht funktioniert – die FIS-Lotsin meinte, ihre Kollegin würde uns nach Süden nicht loskriegen und hat uns gar nicht an sie weitergegeben.

Der Workload stieg rapide. Jan überarbeitete die Route, ich prüfte das Wetter und den Spritverbrauch, und Kai unterstützte uns von hinten. Allein wäre dieser Moment ohne Autopilot kein Spaß gewesen. Am Ende bedeutete der Umweg eine Verzögerung von 30 Minuten – dank ausreichender Reserve kein Problem.

Zur gleichen Zeit haben wir über FIS versucht rauszufinden, wie die Lage in den Bergen ist. Glücklicherweise war gerade ein Pilot auf der Frequenz, der aus Zell am See gestartet ist und bestes Wetter berichtet hat. Glück gehabt. Ansonsten hätten wir bspw. nach Augsburg ausweichen müssen. Auch hier hat sich die gute Planung mit vielen Alternates ausgezahlt. Zusätzlich haben wir während des gesamten Fluges alle paar Minuten gecheckt, was unsere aktuellen Alternates wären. Genauso vor dem Einflug in die Berge etc. 

Alpenflug: Herausforderung und Belohnung

Ab dem Chiemsee klarte das Wetter auf, und wir prüften erneut Sprit und Alternates. Zell am See (LOWZ) und unser Alternate St. Johann in Tirol (LOIJ) meldeten beste Bedingungen. Der Flug durch die Alpen war atemberaubend – ein Highlight der Reise.

Anflug LOWZ: Spannend bis zuletzt

Die enge Platzrunde in Zell am See verlangte Höchstkonzentration. Besonders der Queranflug mit kurzem Gegenanflug und die Pappelreihe vor der Schwelle der Piste 07 machten den Anflug anspruchsvoll. Die Landebahnlänge von 660 m (LDA) war mit der SR20 herausfordernd, vor allem bei zu schneller Anfluggeschwindigkeit und einer C172 auf der Bahn. Nach einem Durchstarten gelang uns der zweite Versuch problemlos. Dabei half es enorm, die Mindestgeschwindigkeit der SR20 genau einzuhalten und die Landung per Slip präzise vorzubereiten.

Zell am See: Erholung und Abenteuer

Unser Hotel, "The Gast House Zell am See", war ein Glücksgriff: modern, günstig (40€ p.P.) und mit Wellnessbereich. Mit der Kurkarte (Sommerkarte), die viele Attraktionen gratis inkludiert, fuhren wir schnell noch mit der letzten Seilnahn auf die Schmittenhöhe – ein Bier auf 2.000 Metern sollte unsere Belohnung sein. Am nächsten Tag nutzten wir – zwangsweise - die Karte voll aus: Vom Kitzsteinhorn über die Sigmund-Thun-Klamm bis zur Schifffahrt auf dem See. Denn das Wetter war deutlich schlechter als vorhergesagt. Um kein Risiko einzugehen, entschlossen wir uns deshalb eine Nacht zu verlängern und die Berge zu genießen. 

Rückflug: Wettertaktik

Am Morgen des Rückflugs (Montag) lagen Nebel und Wolken leider immer noch tief. Die Vorhersage versprach jedoch Hoffnung. Wir sind also zunächst zum Platz gefahren und haben die Maschine vorbereitet und getankt.  Man hat jedoch gemerkt, dass die Sonne nicht mehr die Kraft wie im Sommer hat. Der Wolken lösten sich nur langsam auf. Wir warteten also geduldig und nutzten neben der DWD-App auch Webcams, um die Wetterentwicklung zu beobachten. Nicht nur in Zell am See, sondern auch entlang der Route. Denn in Mitteldeutschland zog eine Regenfront auf. Aber zum Glück nicht im Süden. Wir wollten erstmal aus den Bergen raus. 

Für den Abflug in Zell am See haben wir uns aufgrund immer noch teilweise vorhandener Bewölkung nach Austausch mit den Piloten am Platz auf folgenden Plan geeinigt: 

  • Plan A: Wir starten ganz normal und finden ausreichend große Löcher, um direkt durchzukommen. Dabei achten wir immer auf genug Abstand. 
  • Plan B: Falls wir nicht direkt durchsteigen können, bleiben wir unter den Wolken im Tal, drehen hinter dem See einen Kreis und bauen durch Kreise über dem  wolkenfreien Flugplatz Höhe auf.
  • Plan C: Falls es gar nicht geht, landen wir direkt wieder.

 

Nach einem Flug unterhalb der Wolken im Tal und einem Steigflug über Saalfelden fanden wir Lücken und setzten Kurs auf Augsburg zum Tanken.

Dort stellte sich aber raus: Regenfront zog schneller als erwartet nach Osten. Bzw. wir sind aufgrund des Wetters später als geplant losgekommen. FIS-Lotsen und andere Piloten halfen uns nun aber dabei, eine Route um die Front herum zu finden. Am Ende mussten wir einen größeren Bogen nach Osten schlagen und gelangten schließlich über Kassel sicher zurück nach Hildesheim. Der Rückflug war zwar anspruchsvoll, aber dank unserer Vorbereitung und guter Kommunikation im Cockpit meisterbar.

 Fazit: Gut vorbereitet ist gewonnen

Dieser Flug war nicht nur eine technische Herausforderung, sondern auch ein Test unserer Teamarbeit und Vorbereitung. Trotz unvorhersehbarer Hürden konnten wir mit guter Planung und Abstimmung alles sicher meistern – und unvergessliche Momente erleben.